Alles eine Frage der Relationen

"Eine neue Spezies, die von der unseren nicht verschiedener wäre als wir vom Homo sapiens [also nur geringfügig, Zusatz P.S.), könnte, wenn sie über mehr Einbildungskraft, eine effizientere Sprache und ein sie zum raschen logischen Denken befähigendes Nervensystem verfügte, mit den von uns geschaffenen technischen Zivilisationen fraglos sehr viel besser fertig werden. Die Entwicklung einer solchen neuen Spezies hinge keineswegs von umfassenden Mutationen zahlreicher Strukturgene ab. Wahrscheinlich würden einige scheinbar geringfügige Abänderungen der Aktionsmechanismen der Gene völlig genügen...
Die Frage lautet demnach, ob im Fall solcher Modifikationen genetischen Materials ein natürlicher Ausleseprozeß diese neue Gattung befähigen würde, die Herrschaft anzutreten...
Ich hoffe jedoch, daß sie stattfinden, ich hoffe, daß in fünf- oder zehn- oder zwanzigtausend Jahren eine neue uns an Leistungsfähigkeit überlegene menschliche Spezies existeren wird."



Soweit nichts Aussergewöhnliches, wenn man bedenkt, dass es sich hierbei um die Worte des 1919 in New York geborenen, und 1990 verstorbenen amerikanischen Autors Leon Festinger handelt, und wenn man vorraussetzt, dass es sich aus einer Stelle aus einem Science Fiktion Roman handelt.

Besondere Brisanz erhält diese Textstelle jedoch, wenn man bedenkt, dass Festinger Psychologe war, und wenn man sie im gesellschaftskritischen Kontext eines Peter Sloterdijk betrachtet, der nicht erst seit den „Regeln für den Menschenpark“, sondern seit er bereits1990 den Autor L. Festinger zustimmend zitiert hat, abstruse Züchtungsphantasien entwickelt hat, die vielleicht nicht gefährlich wären, wenn...

...ja wenn da nicht die Tatsache wäre, dass Sloterdijk eben nicht IRGENDEIN Spinner, sondern ein eben hinlänglich populärer Spinner wäre, und das dieser nicht irgendeinen Beruf ausübte, sondern einen Lehrauftrag innehat, und als Rektor eine Hochschule leitet.

Woher nimmt Sloterdijk die Gewissheit, wenn er mit Hilfe von Anthropotechniken (was immer er auch darunter verstehen mag) die genetischen Codes des Menschen „verbessern will“ und wenn er "...auf eine intelligentere Menschheit im Ganzen zielt, nicht auf eine neurobiologische Apartheid oder eine Klassenherrschaft der Intelligenzmutanten über die Altmenschen heutigen Typs. ... Das Schlimmste ist möglich, aber auf jeden Fall nichts Schlimmeres als das, was geschieht, wenn es keine Selektion von intelligenteren und generöseren Menschen gibt."

Slotderdijk begibt sich kritiklos und bewusst auf den Holzweg einer genetischen Modifikation der epigenetisch-kulturellen Interpretation der Welt durch den Menschen, hin zu einen besseren, humanistischeren Menschen; obschon es unmöglich ist, Eigenschaften wie „Humanismus“ zu züchten, ist es doch gefährlich dies zu wollen; denn die Vision des Menschenzüchtens erhält gerade in einem historischen Rückblick in die jüngere Geschichte beängstigende Dimensionen, und man fragt sich: „wer ist er denn dann, nach welchen Kriterien solle er beurteilt werden, und welcher bessere Mensch beurteilt ihn, den besseren Menschen?“


Prenatale Selektion = genetische Benachteiligung



Aus gegebenem Anlass und in Hinblick auf die Äusserungen von P.S. möchte ich an folgende Begebenheit aus den 70ern erinnern:

07.04.1977 Der Generalbundesanwalt Siegfried Buback wird von einem RAF-"Kommando Ulrike Meinhof" erschossen. In dem Komminique des Kommandos wird Buback in seiner Funktion als Generalbundesanwalt direkt verantwortlich gemacht für die "Ermordung von Holger Meins, Siegfried Hausner und Ulrike Meinhof."

Zwanzig Tage nach der Ermordung Bubacks meldet sich ein unbekannter "Stadtindianer" in den Göttinger Nachrichten, ein Mitteilungsblatt Göttinger ASTA's, im sogenannten Mescalero-Nachrufs zu Wort. Darin wird in seinem "inneren Monolog" dargelegt, daß "Gewalt" für ihn nichts sei, er aber (Zitat): "Ich konnte und wollte (und will) eine klammheimliche Freude nicht verhehlen." Trotz dieser klammheimlichen Freude distanzieren sich die Verfasser des Nachrufs von der RAF, sie schreiben auch "Linke dürfen keine Killer sein. Unser Weg zum Sozialismus kann nicht mit Leichen gepflastert werden." Im Sommer 1977 wurde dieser Text von 43 Hochschullehrern ohne ausdrückliche Distanzierung dokumentiert.

Diese Veröffentlichung hatte eine öffentliche Inquisition und politische Hysterie zur Folge. Der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher forderte die Suspendierung der Professoren, es folgten Hausdurchsuchungen und Anklagen.

Irgendwie stimmen hier die Relationen nicht.

Keine Kommentare: